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Detail fluchtwurzel 2019
14.10.2023
Interdisziplinär
Lavant heute lesen.

„Ausgelöst durch den Gedichtband von Thomas Bernhard, webe ich Gedichte von Christine Lavant zu Songs, aus purer Leidenschaft und Betroffenheit. ... Dabei geht es mir nicht darum, Lavants Gedichte musikalisch zu interpretieren, sondern die Gedichte als zeitlose Songtexte anzunehmen. Ich schreibe quasi musikalisch auf, was ich beim Lesen höre“,

sagt die aus Vorarlberg stammende Musikerin Ramona Kasheer, die sich seit gut 20 Jahren mit dem Werk der Kärntner Lyrikerin Christine Lavant beschäftigt und soeben ihr viertes Album mit Lavant-Liedern herausgegeben hat. In Brixen wird sie ihre herzergreifenden Songs erstmals auf Italienisch singen!, in der Übersetzung von Anna Ruchat. Denn auch diese folgte für den von ihr 2021 bei Finis Terrae herausgegebenen Band jener Auswahl, mit der Thomas Bernhard 1987 die Autorin auch außerhalb Österreichs bekannt machte. 

Mit viel Sinn für die Unmittelbarkeit, fast Mündlichkeit von Lavants Prosa hat die Schweizer Übersetzerin und Autorin Anna Ruchat die Erzählung Das Wechselbälgchen („La marmocchietta del diavolo“, La grande Illusion, Pavia 2019) übersetzt. Eindringlich, direkt, rau und zeitlos beschreibt Christine Lavant darin die Ausgrenzung einer Schwachen aus der Dorfgemeinschaft. Stoff und Motive schöpft Lavant aus der Volksüberlieferung, der (Kärntner) Zeit- und Sozialgeschichte und aus ihrer Biografie. 

Editorisch erschlossen haben diesen lange für verschollen geglaubten Text die beiden im Innsbrucker Brenner-Archiv tätigen Germanistinnen Annette Steinsiek und Ursula A. Schneider. Sie werden in das Werk Christine Lavants einführen und dessen abenteuerliche Editionsgeschichte erzählen. Anschließend tragen Anna Ruchat und Ramona Kasheer gemeinsam Lieder und Texte vor.

Moderation: Alma Vallazza

Christine Lavant (1915-1973), geb. als Christine Thonhauser in St. Stefan im Lavanttal (Kärnten) als neuntes Kind eines Bergmanns, war Lyrikerin und Erzählerin. Ihre Schulbildung musste sie aus gesundheitlichen Gründen früh abbrechen. Jahrzehntelang bestritt sie den Familienunterhalt als Strickerin. Sie erhielt u. a. den Georg-Trakl-Preis (1954 und 1964) und den Großen Österreichischen Staatspreis (1970). Seit 2014 erscheint eine Werkausgabe von Christine Lavant im Wallstein Verlag.